Als VW einst mit dem Käfer die gesamte Arbeiterklasse der westlichen Welt mobil machte und damit gleichzeitig das fleischgewordene Wahrzeichen des Wirtschaftswunders in niedersächsische Stahltafeln presste, hätte es keiner für möglich gehalten, dass Volkswagen der Clou noch ein weiteres Mal gelingen würde. Doch die kritische Transformation, weg von verspielt geschwungener Linienführung, hin zu pragmatischem Frontmotor mit Wasserkühlung, gelang dermaßen gut, dass in der Folge eine eigene Fahrzeugklasse und später sogar eine ganze Generation nach dem Golf benannt wurde. Zumindest im Land, in dem das Erzeugniss der Missionarsstellung zwischen sonntäglichem Königsberger Klopse Mahl und temporärer Kapitalismus-Revolte, zwanzig Jahre später reihenweise einen Golf Bon Jovi zum Abi geschenkt bekam.
Als Volkswagen 1976 erstmals den Einspritzermotor des Audi 80 GTE in das biedere Fortbewegungsmittel aus den grauen Nachkriegsmietwohnanlagen umtopfte, war der Grundstein für die popkulturelle Heiligsprechung gelegt. Es folgten über 40 durchgehende Jahre an der Spitze der deutschen Zulassungsstatistik, bevor das Dieselgate einen hausgemachten Klimawandel in der Konzernzentrale auslöste. Und so wurde Herbert Diess entsandt, um den Konzern vom schmutzigen Clean Diesel zu in die klimaneutrale Zukunft zu führen. Erfolgsverwöhnte Business-Strategen adaptierten den anhaltenden SUV Trend auf die Golf-Klasse. Das Ergebnis kombinierten selbsternannte Marketing-Punks mit der fragwürdigen Mode unter Autobauern, wonach sie leidenschaftlich versuchen ihre neuen Elektro-Modelle klar von den banalen Verbrennern zu separieren. Heraus kommen regelmäßig eine Spur zu gewollt progressiv klingen wollende Typenbezeichnungen. Unangenehm wie diese Kai Pflaumigen Dynamik-Daddys, die auf dem Elternsprechtag das hochgekrempelte weiße Hemd immer einen Knopf zu weit offen haben und generell mit angestrengter Jugendsprache auffallen. Beim Blick in den Newsfeed kann man nie sicher sein, ob Elon Musk mal wieder Vater wurde, oder einer der großen Drei in Deutschland ein neues BEV-Modell vorgestellt hat. Und während die Denkschule in den technischen Universitäten offensichtlich überholt scheint, wonach man einen PKW mit möglichst geringem Schwerpunkt und niedrigem Leergewicht zu konstruieren hat, sollte der VW ID.3 auf dem Radstand einer 126er, und dem Gewicht einer 140er S-Klasse, nun also die blütenweiß unschuldige Zukunft der Kompaktklasse darstellen. Schwerpunkt: ASR regelt!
Wo man zu Zeiten der Ölkrise in den 70ern noch kaum glauben konnte, dass der neue Golf auf Anhieb so ein Kassenschlager wurde, mussten überhebliche Konzern-Hispter ungläubig dabei zusehen, wie selbst der absurde Golf-Country Anfang der 90er zunächst besser ankam, als ihr ID.3.
Was folgte ist eine Verzweiflungstat für den schnellen Internetruhm, welchem man nicht unkritisch gegenübertreten sollte, und deren Sirenengesang man leider nicht nur in Wolfsburg erlag. In einem Akt der erbarmungslosen kulturellen Aneignung hatte Ford 2020 bereits den Mustang Mach E vorgestellt, während Opel seinerseits längst angekündigt hat, einem weiteren gottlosen Fließheck SUV den großen Namen Manta aufkleben zu wollen.
Wo auf der Musk-Plattform X angriffslustige Soziologie-Student*innen sofort auf Kamikaze-Modus schalten, wenn Weltenbummler und Freizeit-Yogi Tristan auf dem vorstädtischen Straßenfest das Saxophon und den inneren Charlie Parker rausholt, applaudierte die linientreue deutsche Fachpresse dagegen übereinstimmend, als VW diesen Herbst mit dem ID. GTI Concept auf der IAA anrollte. Zugegeben – die Studie basiert auf dem für 2025 angekündigten ID.2, was mit Blick auf die Außenabmessungen ein bisschen mehr Sinn ergibt und erstmal die einzig gute Nachricht ist. Dennoch machen der Fahrmodi-Drehregler im kultigen Golfball-Schaltnkauf-Design und eine rote Kontrastlinie an der Kühlergrill-Attrappe noch lange keinen GTI aus dem pummeligen Kleinwagen. Im Schweiße ihres Angesichts sind in den 80er und 90er Jahren bekennende Linksträger in Röhrenjeans und Opel Manta nahezu zwei Jahrzehnte unerbittlich gegen geföhnte GTI-Popper um die Vorherrschaft an Dorftankstelle und Karstadt-Parkplatz, um die Anerkennung einer gesamten Frisösen-Generation oder sogar um ganze Einbauküchen gefahren, nur um mitansehen zu müssen wie ihr Erbe nun von den billigen Marketingtricks kulturloser White-Sneaker-Boys in der Bedeutungslosigkeit verheizt wird. Völlig umsonst, so scheint es, brachte Steve McQueen sich und halb San Francisco in Lebensgefahr, als er in der ikonischsten und längsten Verfolgungsjagd der Filmgeschichte den Ford Mustang zum Legendenstatus driftete, in Anbetracht dessen, Berufsjugendliche mit 7/8 Chinos und zum Beckham Cut arrangierten Istanbul Implantaten es fünfzig Jahre später für eine gute Idee hielten, das Pony an die Front eines proportional fragwürdigen Family Guys zu pappen. Ich weiß gar nicht ob es schlimmer ist, dass es in den Konzernen keiner von selbest merkt, oder es ihnen bis jetzt noch niemand gesagt zu haben scheint. Aber es ist einfach nicht in Ordnung was da betrieben wird. Mit dem Aufwärmen einer ruhmreichen Vergangenheit das problematische Design der Zukunft glorifizieren zu wollen, wird so nicht gelingen. Mag sein, dass die Modelle ihre Verkaufszahlen einfahren, aber den Kultstatus ihrer Vorbilder werden sie nicht im Ansatz erreichen. MINI Cooper, Fiat 500 und sogar VW mit dem ID.Buzz zeigen wie ein gesunder Umgang mit der eigenen Geschichte völlig Antriebsübergreifend funktionieren kann. Mit billigem E-Auto Bashing hat das hier also nichts zu tun. Was wir betreiben wollen ist automobiles Body Shaming.
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