Maria Wörth hat den Stecker gezogen. Nach 41 Jahren Burnout, Bierbong und Nippelpad freien Carwash Orgien, sehnt sich die Urlaubsgemeinde am Wörthersee endgültig nach der kulturellen Wende. Von den pastellfarbenen Breitbauten der Neunziger, den Fliplflop lackierten Flügeltürern der Nuller bis zu den matt folierten Airridern der Zehnerjahre haben die Sechszehnhundert Einwohner der, von der deutschen Tuningszene so innig geliebten, Wörthersee-Halbinsel wirklich jeden Trend mitgemacht. Selbst als sich orientierungslose Performancekünstler den Haushaltsschrott aus Großvaters Gewölbekeller auf übergroße Dachgepäckträger ihrer ironischen Ratten schnallten, wurde die Einfahrt nicht verwehrt. Für den Wandel der Scene in die Elektromobilität ist die Provinz nun jedoch schlicht zu müde. Vier Jahrzehnte lang wurde toleriert wie sich alkoholisierte Heranwachsende in die Kotflügelkanten mäßig motorisierter Fronttriebler stemmten um dem komplexbehafteten Kompaktwagen durchdrehende Vorderreifen – oder im schlechteren Fall – abrauchende Kupplungsscheiben zu ermöglichen. Mitgetragen wurde, wie das seichte Gewässer des Alpensees, unterwandert von einer Flut aus Wodkabull Kotze und Bierschiss, mehrfach dem Kipppunkt nahe gekommen sein musste. In Demut ertragen, dass es selbst das Opel Treffen in Oschersleben nicht schaffte der österreichischen Idylle den Rang der tragischen Berühmtheit abzulaufen.
Die Transformation aber, von Gruppe A Auspuff und offenem Luftfilterpilz hin zu…Ja was denn eigentlich? Sportsoundgeneratoren für den Batterie Golf scheinen bisher jedenfalls nicht mal annähernd die Verkaufszahlen des Bonrath Powerrohrs aus dem D&W Katalog der 90er zu erreichen. Und das in einer Szene die den Placeboeffekt in Teilen mindestens so sehr vergöttert wie die Globoli-Muttis süddeutscher Waldorfschul-Noahs.
Jedenfalls scheint sich die Phantasielosigkeit der Einheimischen darüber was die Tuning Jünger in ihrer Pilgerstätte anstellen werden, wenn die Elektro-Langeweile erst mal Oberhand gewonnen hat, nun in blanker Panik niedergeschlagen zu haben. Mal davon abgesehen, dass die Schlangen an den Super Plus Zapfsäulen in all den Verbrenner-Jahren längst die Grenzen des Machbaren erreicht haben, ist man in der Gemeinde offenbar nicht bereit in Schnellladesäulen für bis zu 200.000 GTI & Co. zu investieren.
Auch wenn der Golf-Tuner längst erwachsen geworden ist. Zwar prangert unverändert das Tribal Tattoo an der Wade, doch das Haupthaar ist längst licht geworden. Wer als Fahranfänger Mitte der 90er noch im Schroth Gurt seines 70PS Pädo-Jetta hing, hat 25 Jahre später nicht selten 600PS unter der Volkswagenhaube und den Schalensitz nun tatsächlich nötig. Längst schon qualmen die Reifen ganz ohne das Anheben der Fahrzeugfront durch die Community, die nun gemütlich im Campingstuhl mit Bierdosenhalter sitzen bleiben kann um das Spektakel mit dem neusten Iphone filmisch festzuhalten.
Selbst wenn also inzwischen richtig Kohle in der Szene steckt, möchte die Urlaubs-Idylle künftig lieber auf ihre Hauptsaison verzichten und zerrt unbeholfen Klimaschutz und neue Nachhaltigkeitsstandards ins Scheinwerferlicht der Erklärungsnot. Wohlgemerkt als Touristenort jener Nation, welche mit deutlich über 30.000 (!) Schneekanonen wasser- und energiefressenden Kunstschnee in seine gerodeten und planierten Skipisten ballert, während sich Gestalten in Bogner und Moncler Outfit im Sessellift mit Sitzheizung zum Startpunkt gondeln lassen, nur um sich später beim Aprés-Ski gegenseitig den Nerzkragen vollzureihern.
Wie soll nun aber das Maria Wörth im Zeitalter nach dem Golf aussehen? Zurück zu Föhnfrisur und Schulterpolster-Jacket im Roy Black Style, um schmierige B-Promis mit Prosecco und Krabbencocktail zu verpimpeln?
Oder gar eine Erweiterung des seit 2017 ausgetragenen “Namaste am See“ Yoga Fastiavals? Nachhaltige Korkgymnastikmatten ausgerollt über den langsam ergrauenden Ölflecken von Generationen mit Hingabe aufgebohrter und hochglanzpolierter VAG Großserientriebwerke? Wir wollten doch aber aufhören mit kultureller Aneignung. Steh zu dem was Du bist Reifnitz!
Am Ende werden die Wörthersee Fans, die gerne ihre liebevoll aufgebauten Einzelstücke präsentieren, langjährige Freunde treffen und einfach eine gute Zeit haben möchten, schnell einen neuen Ort finden. Längst werden sich andere Gemeinden für die Bewerbung warmlaufen, um für ihre Region nun künftig die fetten Umsätze einfahren zu können. Mag sein, dass die Sache an Charme verliert, wahrscheinlich aber auch Komfort und Professionalität gewinnt. Und ich wiederhole mich da wirlich ungern: Aber ihr werdet ja auch nicht jünger. In diesem Sinne: Auf eine tolle Saison!
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