Der Ketchup Effekt
Aktualisiert: 23. Sept. 2021
Skeptisch träumt ein resigniertes und ausgezehrtes Land von diesem Ereignis mit dem feierlichen Namen "Ketchup-Effekt". Doch auch wenn die alles entscheidende Impfstoff-Connection in den Händen von echten Lenkern wie Spahn und von der Leyen lag, kommt die Republik in der C-Situation kaum zügiger voran als die Ever Given im Suezkanal. Und dann auch noch ohne Satellitenbild-taugliche Pimmelbilder. Obwohl die Mobilisierung einer kurzzeitigen Task-Force in der Andi Schuer mit von der Partie ist, von ähnlich spektakulärem Humor zeugt. Dennoch gibt es ferner gute Nachrichten. Denn auch wenn längst klar ist, dass man im Pusher Game besser auf die 187 Straßenbande statt auf Immo-Jens und Consulting-Ursel gesetzt hätte, müssen die Deutschen noch lange nicht auf ihren Ketchup-Effekt verzichten. Dieser dürfte sich nun in der Verkehrswende in Kürze einstellen. Die E-Autos kommen. Ob sie nun gekauft werden oder nicht. Medienwirksam kündigten VW und Daimler längst den Auslauf ihrer Verbrennerplattformen an. Volvo wurde bereits konkreter und steigt 2030 aus, während die Marke Jaguar unter dem Hersteller Tata Motors sogar schon 2025 auf Strom umstellt. Selbst der US-Riese GM will bis 2035 den Zapfhahn aus dem Stutzen ziehen. Da kann einem als mobilitätsliebender Endverbraucher schon mal etwas flau in der Magengegend werden. Geht das denn jetzt alles wirklich so schnell? Im Kastanienbaum am Ende des Amselweges, wo mein alter Opel Senator immer parkt, ist jedenfalls noch keine Steckdose. Doch wenn man den hochdotierten Technik-Experten im Bundestag glauben schenkt, müsste sich das schon ausgehen. Denn fixe Ausstiegsszenarien werden ja längst nicht nur von den Grünen gefordert. Selbst Kanzler-Geheimtipp Söder definiert zuweilen gerne das Jahr 2035. Und der muss es ja wissen, stellt seine Partei doch den Bundes-Verkehrsminister. Die für 2025 angekündigte Euro7 Norm jedenfalls, räumt alle Zweifel aus, lässt sie doch weniger CO2 zu, als nachweislich in den Aerosolen von Anton Hofreiter stattfindet. Dennoch. So wirklich drehzahlfest wirkt die Ladeinfrastruktur trotz strikter Rhetorik immer noch nicht. Oder täusche ich mich? Greift vielleicht in Kürze die Bundes Ladeverordnung? Dürfen Beschäftigte im Gesundheitswesen ihre 2,5 Tonnen Umweltbewusstsein dann früher laden, als das Personal der Frikadellen Fabriken von Tönnies? Oder lassen wir es erstmal laufen um zu sehen wo die Reise hinführt? Zumal die Ladeinfrastruktur ja nicht die Einzige Baustelle ist. Stichwort erneuerbare Energien. Falls wir da in wenigen Jahren noch nicht so weit sind und - als hätten wir nicht genug auf der Agenda - da ja da auch noch diese eine Sache mit dem Atomausstieg erwähnt werden sollte. Vielleicht ist es also gar nicht so schlecht, wenn ein Großteil der Flotte im Stillstand auf einen Ladeplatz wartet, wenn wir bestehende Konzepte, de facto zunächst gegen einen Atomkraftantrieb und Braunkohle-Verbrenner ersetzt haben. Sobald die Windparks rotieren und Solarparks glühen, kann die Nation dann auch nach und nach durchgeladen werden. Gut. Ich gebe zu. Dieses Bild ist sicher etwas rußig gezeichnet. Man sollte den Strategen hier keinen voreiligen Tadel aussprechen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich kein Vertrauen in die Prioritätensetzung habe. In der C-Situation hätte ja sicher auch niemand Schulen geöffnet, bevor genügend Schnelltests angekündigt(!) wurden. Ok. Schlechtes Beispiel. Aber im Ernst. Die Sachlage ist für uns alle neu. Es gibt keine Erfahrungswerte, auf die man sich berufen kann und sicher, es werden auch Fehler passieren. Daraus kann man dann die richtigen Schlüsse ziehen. So funktioniert Fortschritt. Trial and Error. Ich fühl mich ganzheitlich abgeholt. Und das mein ich Ernst. Denn mit einem Blick auf das aktuelle Produktportfolio der Hersteller, kann ich das krampfhafte Festhalten am Status Quo wirklich nicht nachvollziehen. Unter dem Wappen der englischen Raubkatze beispielsweise, hat ein E-Pace mit quer eingebautem Vierzylinder und Frontantrieb circa soviel britischen Flair wie Dieter Bohlen und selbst Atila Hiltmann hat mehr Charisma als der 2er Aktiv Tourer von BMW. Wir stecken da in einer Sackgasse von höhergelegten Funktionsfahrzeugen für Fettleibige mit steifem Becken und blockierter Wirbelsäule. Von der Elektromobilität erhoffe ich mir – gleich nach dem wir den nicht nur aus ästhetischen Gründen schwierigen SUV Trend endlich überstanden haben – vor allem kleine, leichte und effiziente Fahrzeuge, die den Fokus wieder zurück auf Wesentliches legen: Fahrdynamik und Spaß! Bis die Sache mit dem Laden und der Stromversorgung läuft, lass ich mir jetzt nochmal den letzten Reparaturschweller über die Flanke des Senators ziehen. Wenn der wieder durchgerostet ist, gibt es bis dahin ja vielleicht den neuen E-Manta als günstigen Gebrauchten. Ich freu mich!